Sommelier sein ist alles (?)

The Importance of Being Earnest heißt Oscar Wildes Komödie, deren deutschen Titel, Ernst sein ist alles, ich hier leicht abgeändert habe. Ihr merkt, wir befinden uns im Feuilleton der bierspindel und nach wochenlanger Druckbetankung mit Braufakten ist dieser kleine Ausflug vielleicht genau das Richtige! (no offense Viktor)

Wer mit dem Begriff Sommelier nichts anfangen kann, vorab eine kurze Erklärung. Ursprünglich vor allem aus der Weinbranche bekannt, berät ein Sommelier oder eine Sommlière Gäste eines Restaurants über die zu den Speisen passenden Weine. Nachdem Craftbier den Anspruch stellt, auf einer Stufe mit Wein zu stehen, gibt es natürlich auch Biersommeliers.

In Österreich gibt es sogar vom Verband der Brauereien Österreichs ein offizielles Ausbildungsprogramm zum zertifizierten Biersommelier bzw. sogar zum Diplom-Biersommelier. Diese wird entweder in einschlägigen Tourismusschulen oder bei Brauereien wie Ottakringer, Stiegl, Trumer und anderen angeboten. Details findet ihr hier. Vielleicht die Königsklasse der Biersommelier-Ausbildungen bietet die Doemens Genussakademie an. Hier gibt es sogar Ausbildungen zum Fruchtsaft- und Wassersommelier.

Die Kosten für eine Ausbildung zum Biersommelier belaufen sich von 1.200 € (Ottakringer) bis ca. 3000 € (Doemens) und sind damit durchaus beachtlich. Hinzu kommen Übernachtungs- und Anreisegebühren.

Meine gewählte Definition von Sommelier impliziert, dass hauptsächlich Gastronomie- und Brauereimitarbeiter ein Interesse an der Ausbildung haben würden. Warum schreiben wir also darüber?

Es geht ein Geist um in der Craftbier-Szene, der nicht nur uns begegnet ist. Die Rede ist von Elitentum und sogenannten “Aleholes”. Der Craftbier-Trend ist, wie wir schon geschrieben haben, aus der Aufhebung des Heimbrauverbots in den USA entsprungen. Es entstanden Biere die neu, interessant und per Definition nicht in dem Maße perfekt wie die “Fernsehbiere” waren und sind. Vor allem aber ging es um eine offene Bewegung an der jeder teilhaben durfte. Immer wieder liest und hört man von Brauern und Enthusiasten wie angenehm, offen und zugänglich unsere Szene ist.

Das “Alehole” versucht nun dieses Prinzip durch Elitenbildung und “ich-trinke-Craft-am-längsten” Mentalität umzukehren. Vehikel hierfür ist häufig die (fehlende) Sommelierausbildung des Gegenübers, mit dem praktischerweise sämtliche Argumente gewonnen und beendet werden können.

Ich möchte die Sommelierausbildung hiermit nicht kritisieren! Sie hat absolut ihre Daseinsberechtigung. Eines darf sie allerdings nicht sein: eine Einstiegshürde um seine Gedanken und Meinungen über Bier äußern zu dürfen. Gerade über Geschmack lässt sich ja bekanntlich (nicht) streiten.

In der ersten bierspindel Planungssitzung (bevor wir überhaupt wussten, dass der Blog bierspindel heißen sollte) haben wir dieses Thema schon angesprochen. Keiner von uns ist (bisher) ausgebildeter Biersommelier wodurch wir von Anfang an damit gerechnet haben, dass uns früher oder später unsere Kompetenz in Abrede gestellt wird. Unserer Meinung nach ist es ebensowenig richtig zu behaupten, nach einer einwöchigen Ausbildung alles über Bier zu wissen, wie auch umgekehrt nur Menschen mit dieser Ausbildung zur Konversation eingeladen sein sollten. Spannend zu lesen ist dieser Artikel von den Kollegen von Brülosophy, die den Zusammenhang zwischen Sommelier-Zertifizierung und Tastingperformance in Frage stellen.

Abschließend möchte ich nochmal daran erinnern, dass ich die Ausbildung an sich nicht kritisiere, sondern ihre Rezeption. Sie ist weder Grundvorraussetzung um Teil der Craftbier-Szene zu sein, noch Freifahrtschein für die Richtigkeit der eigenen Argumente. Jeder von uns darf sich selber an die Nase fassen und überlegen wie er oder sie sich gegenüber “am Papier” weniger ausgebildeten Biergenießern verhält. Wenn Craftbier mehr als ein vorrübergehender Trend bleiben soll, muss die Szene offen und zugänglich bleiben, ansonsten werden wir kaum die breite Masse von uns überzeugen können.

Gwendolen, die Angebetete des Hauptcharakters in der eingangs zitierten Oscar Wilde Komödie sagt über den Namen Ernest (Ernst) Folgendes: “My ideal has always been to love some one of the name of Ernest. There is something in that name that inspires absolute confidence.” Ich glaube das lässt sich ganz gut auf Sommeliers ummünzen: der Titel bedingt scheinbar Vertrauen. Blöd nur, dass der Hauptcharakter bei Wilde eigentlich Jack heißt.